Februar 22, 2025

9 thoughts on “Selbstzensur und vorauseilender Gehorsam

  1. In allen Systemen spielen Geheimdienste eine entscheidende Rolle. Ohne denen würden die Systeme schnell zusammenklappen.

    Auch Dein Direktor hatte Anweisungen, das ergeben bestimmt die Stasi-Akten. Man kann ja mal suchen. Diese Anweisungen waren „leider“ nicht ausführbar, weil es auch in der DDR gewisse gesetzliche Spielregeln gab. Nicht so weit von den in Deutschland heute geltenden entfernt.

    Es gibt die Theorie der Macht. Die Selbstzensur gehört dazu. Diese ist aber immer das eindeutige Zeichen dafür, dass das System nicht stabil ist und irgendwann zusammenbrechen wird.

  2. Ich stimme zu, der Kurs geht in Richtung Zusammenbrechen… die letzten Jahre vor dem Zusammenbruch der DDR herrschte eine aehnliche Stimmung, wie jetzt hier zwischen Expats:
    – Angst, miteinander Klartext zu reden
    – Eigene Gedanken sehr vorsichtig formulieren
    – Nach neuen Jobs und Perspektiven Ausschau halten
    – Sich ins Privatleben zurueckziehen
    Auch hat sich die Zahl der kritischen Stimmen in Bezug auf Entwicklungsdienst in den letzten 5 Jahren um ein Mehrfaches vervielfacht; immer mehr Leute schreiben Buecher dazu, Blogs, Publikationen… auch das hatten wir in der DDR, wo mehr und mehr Menschen ueber Ungarn in den Westen davonmachten und damit ihren Unmut zeigten, es war zum Schluss wie eine Lawine; und dann ganz zum Ende zu, die Demonstrationen, die das gesamte Land erfassten…

    Ich haette nie gedacht, dass man so grosse gesellschaftliche Umbrueche zwei mal im Leben miterleben kann.

  3. Die sich selbst Zensierenden kommen ganz gut über die Runden. Sie takten sich gut ein in die neuen Systeme. Ein gutes Beispiel ist unsere Kanzlerin. Die „Wahrheit“ immer offen zu sagen, kann von Dummheit zeugen.

    Ich meinte das Verhalten der DDR-Bürger zur Arbeit und deren zwangsweise „Wandlung“ nach der Revolution 1989. All diese Erfahrung mit der entfremdeten Arbeit könnten ein Ansatzpunkt sein für die Bewertng des Verhaltends der Ugander an ihren Arbeitsplätzen.

    Die Aufstülpung unserer gewünschten Arbeitsmoral ist bestimmt nicht der Weisheit letzter Wunsch.

  4. Hatte ich auch so verstanden, aber meine Gedankengaenge waren dann wohl etwas abgewichen nachdem ich das Kommentar zu “ehrlichen Wirkungsprüfungen” gelesen hatte; Mensch denkt eben nicht immer geradlinig.

    Zum Verhalten der Ugander und auch wie das ist, wenn man sich zwangsweise wandeln muss, und wie wir das in der DDR erlebt hatten, kann ich spaeter ja mal einen ausfuehrlicheren Artikel schreiben; aber einen guten Artikel zu schreiben braucht so seine Zeit. Ausserdem hatte ich ja schon mal einen Gedankengang in diese Richtung, in einem meiner vorherigen Artikel in: Entwicklung vs. Ugander

  5. Meine Gedanken arbeiten…

    – Vereinfachen statt zu verkomplizieren
    – Strukturen haben, wo kleine Einheiten entscheiden und handeln koennen ohne Angst vor Folgen
    – Selbstinitiative foerdern statt zu „bestrafen“

    Zu komplizierte Strukturen und zu viel Kontrolle sind toedlich – das fuehrt zu unueberschaubaren Ketten an verantwortlichen Abteilungen und Beteiligten, in welchen keiner dem anderen schaden (vor allem auch nicht sich selbst), keiner negativ auffallen will – und daher zwangslaeufig zu Selbstzensur und vorauseilendem Gehorsam.

    Wir befinden uns hier in einer Spirale – wie in meinem vorletzten Artikel Tausendundein Whistleblower… geschrieben, der Groschen faellt, so ziemlich bei jedem, ziemlich schnell; und (fast) jeder stellt sich die Frage nach dem Sinn von Entwicklungshilfe, nach dem Sinn des eigenen Beitrags. Doch niemand will der Buhmann sein, also wird beschoenigt – vor allem weil ja auch schon die Vorgaenger beschoenigt haben, und deren Vorgaenger, u.s.w..

    1. „Ehrliche Wirkungsprüfungen“ kann es nur von einer u n a b h ä n g i g e n Institution geben. Nach meinen Erfahrungen kann dies nur der Bundesrechnungshof sein. Allerdings prüft er heutzutage nur die Zahlen. Was er braucht ist ein Stab von Menschen, die von der EZ etwas verstehen und die Projekte vor Ort prüfen. Der Rechnungshof ist wirklich unabhängig. Jeder Prüfer hat richterliche Unabhängigkeit.
      Heute gibt es keine Transparenz, die wir von den afrikanischen Regierungen immer verlangen. Jede Organisation prüft sich selbst bzw. wird von Mitarbeitern derselben Organisation evaluiert. Wenn es einmal nicht so ist, wird sich jeder Consultant sehr genau überlegen was er schreibt, denn sonst wird es keine Anschlußaufträge geben. Unabhängig kann er nicht sein.
      Ich habe dies in meinem Buch“Afrika wird armregiert“ ausführlich beschrieben und auch Vorschläge gemacht.
      Wenn sich an dem System nicht ändert bleibt es bei der Feststellung der Süddeutschen Zeitung: „Entwicklungshilfe ins Blaue hinein“

      1. Ich erinnere mich an eine heisse politische Diskussion in unserem Hause mit meinen Grosseltern (ich erinnere: beide waren in der DDR Fuehrungsriege). Es ging darum, dass immer mehr und mehr Leute der Partei (SED) beitreten, die keine Kommunisten sind und das nur machen, weil sie sich Vorteile versprechen. Meine Grossmutter sagte dazu, dass sie das zulassen, um Kontrolle ueber diese Leute zu behalten, worauf meine Mutter fragte, ob sie denn nicht Angst haetten, dass diese Leute irgendwann einmal Kontrolle ueber sie gewinnen wuerden…

        Ich weiss nicht, warum ich mich an diese Diskussion so gut erinnere, ich war da wirklich noch ein sehr kleines Maedchen und diese Diskussion fand irgendwann Anfang der 70er Jahre statt, aber ich sehe noch heute, wenn ich meine Augen schliesse, meine Eltern und Grosseltern darueber streiten… und wie wir alle wissen, war dann in den 80er Jahren von der eigentlichen Idee und Partei nicht mehr viel uebrig…

        Auch in der DDR gab es mit der Zeit immer mehr Behoerden und Kontrollmechanismen, eingerichtet von Leuten, die eigentlich gar nicht mehr an die Idee glaubten…
        Eine Spirale… die irgendwann mal anfing und 1989 dann zusammenbrach.

        Daher kann ich die Idee mit einer u n a b h ä n g i g e n Institution/ Kontrollkommission nicht wirklich unterstuetzen; noch einen Deckel auf einen bereits vorhandenen Deckel und dann noch einen, aber der Topf brodelt bereits und kocht fast ueber. Der zusaetzliche Deckel stellt das Brodeln nicht ab; er verschiebt lediglich das Ueberkochen auf einen spaeteren Zeitpunkt!

        Die DDR ist seit 20 Jahren vorbei und wir sollten in der Lage sein emotionslos die Geschehnisse aufzuarbeiten, ohne Individuen auf die Fuesse zu treten. Warum wird das nicht gemacht?

        U n a b h ä n g i g e Einrichtungen: es gibt AidWatch, es gibt eine Menge Universitaeten, die sich mit Entwicklungshilfe beschaeftigen, und es gibt sicherlich noch viele andere unabhaengige Organisationen, die ich nicht kenne.

        Eine unabhaengige Institution in Deutschland wird eine Deutsche Institution sein, also Deutschland verpflichtet. Wirkliche U n a b h ä n g i g k e i t kann nicht moeglich sein. Man beisst nicht in die Hand, die einen fuettert.

        Dass Entwicklungshilfe eine Menge Schaden angerichtet hat, ist bekannt, da braucht es keiner unabhaengigen Kommission, um das noch einmal festzustellen.

        Warum machen wir eigentlich Entwicklungshilfe?

  6. Das kann ich nicht nachvollziehen. Wenn eine deutsche unabhängige Institution Deutschland verpflichtet ist muß dies nicht schlecht sein. Ich würde mir sogar wünschen, dass Deutschland Interessenpolitik betreibt. Leider war dies in all den Jahren (17) in denen ich in Afrika tätig war nicht der Fall. Welche Interessen sollte Deutschland in Afrika haben? Gute Politik ist immer von Interessen geleitet.
    Aus meiner Sicht wären wir doch froh, wenn sich Afrika selbst entwickeln würde und junge Afrikaner wegen der Rechtsunsicherheit und Willkür der dortigen Regime nicht nach Europa fliehen müßten.Die dortigen Eliten reiben sich die Hände weil sie eine unruhige Jugend loswerden und gleichzeitg die Arbeitslosigkeit exportieren. Ein wohlhabendes und selbstbewußtes Afrika wäre natürlich für unsere Wirtschaft interessant. Was ist daran falsch?(Heute geht unsere Wirtschaft in die erfolgreichen Tigerstaaten in Asien)
    Nicht Wirtschaft und freies Unternehmertum schaffen Armut, sondern Gängelungen, staatliche Monopole, Untätigkeit im Bildungs- und Gesundheitsbereich und Unterdrückung der Frauen. Wie es besser geht zeigt Ruanda.
    Die Bundesrepublik hat in Afrika nie eine fragwürdige Interessenpolitik wie China oder Frankreich betrieben.

    Durch Steuerflucht fließt jedes Jahr aus dem Süden rund sechsmal so viel Geld ab, als der Norden durch Hilfe beiträgt. Kritik übe ich auch an den Agrarsubventionen der USA und der EU. Durch die Subventionen entzieht die Eu (also auch D.) Kleinbäuerinnen (meist sind es ja Frauen) die Lebensgrundlage durch den Export europäischer Dumping Produkte.

  7. An sich ein sehr guter Text (der die Probleme großer Gebilde, des Bürokratismus und des Herdentriebs anspricht), aber der Sozialismus war NIE eine großartige Vision.

    Ich verstehe, dass Leute darauf reinfallen konnten, ehrliche Kommunisten die dann zu Dissidenten wurden, aber doch wohl Zeit ihres Lebens nie verstanden haben, dass die ihm zugrundeliegende Idee bereits menschenfeindlich war und die DDR nur das logische Endprodukt dieser Ideologie. Oder sie wollten es nicht wahrhaben.

    Sozialismus (ebenso wie Entwicklungshilfe oder der sog. Wohlfahrtsstaat europäischer Prägung, dessen Auflösung wir in Zukunft beobachten werden) basiert auf den Ideen des Kollektivismus, Altruismus und Paternalismus. Letztere geht immer mit Fremdbestimmung einher, die beiden Anderen mit dem Tod der individuellen Freiheit. Hierzu kann ich nur Ayn Rand empfehlen.

    @Volker Seitz: Die Agrarsubventionen gehören abgeschafft ebenso wie alle Handelsbarrieren. Weltweiter Freihandel ohne Staatseinmischung, sprich freie Marktwirtschaft ist das Gebot der Stunde. Nicht Korporatismus irgendwelcher politischer Eliten und ihrer Freunde bei den großen Wirtschaftskonzernen.

    Afrika könnte der Markt der Zukunft werden.

    @bellusci: Amen. Freie, dezentrale Stukturen sind zentralistischen immer überlegen, Vielfalt immer besser als „One size fits all“, einfache Regeln immer besser als komplizierte, Hilfe zur Selbsthilfe immer hilfreicher als ein an den Tropf hängen und bürokratische Gängelung.

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